Innovative Füllstoffe für neue Autoreifen

Seit 1988 steigen die Kraftstoffpreise auf breiter Front. Pro „Liter Mobilität“ müssen Autofahrer heute mehr als doppelt so viel bezahlen wie damals. Das gilt für Normal- und Superbenzin, aber ebenso für Diesel. Und eine Änderung dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Vielmehr rechnet die Internationale Energie-Agentur (IEA, Paris) mit einer deutlich steigenden Nachfrage nach Energieträgern aller Art – um etwa 50 Prozent in den nächsten 25 Jahren. Damit dürften die Kosten für Kraftstoffe kaum sinken. So weit die schlechte Nachricht. Doch es gibt auch eine gute: Die Degussa AG (Düsseldorf), weltweit führendes Unternehmen für Spezialchemie, hat in ihrem Geschäftsbereich Advanced Fillers & Pigments (Füllstoffsysteme & Pigmente) intensive Anstrengungen unternommen, die Eigenschaften von Pkw- und Lkw-Reifen gleichermaßen zu verbessern. Dabei herausgekommen ist ein niedrigerer Kraftstoffverbrauch - je nach Vergleichsbasis - von bis zu acht Prozent. Bei einer durchschnittlichen Laufleistung eines Lkws von 150.000 Kilometern sind Spriteinsparungen von etwa 2.500 Liter pro Jahr möglich – also eine ansehnliche Menge.

Reifen gehören zu den wichtigsten fahr- und sicherheitstechnischen Teilen des Autos überhaupt. Sie sorgen für den Kontakt zur Fahrbahn. „Dabei kommt dem Rollwiderstand eine zentrale Bedeutung zu. Dieser ist durch die Gummimischung der Lauffläche beeinflussbar“, erklärt Dr. Ing. Winfried Tomaske, Direktor des Instituts für Fahrzeug- und Antriebssystemtechnik der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Jede fünfte Tankfüllung wird heute zur Überwindung des Rollwiderstands verbraucht. Die Formel ist einfach: Je niedriger er ist, desto geringer der Spritbedarf und damit auch die Kohlendioxid-Emissionen, die bei der Kraftstoffverbrennung entstehen. Dies schont den Geldbeutel und entlastet die Umwelt - Ökonomie und Ökologie im Gleichschritt.

Vermittler zwischen Gummi und Füllstoff

Reifenmischungen enthalten üblicherweise etwa 30 Prozent Verstärkerfüllstoff, mit dem die Gummimischungen erst die erwünschten Eigenschaften wie Haftung, Abriebwiderstand, Ein- und Weiterreißfestigkeit erreichen. Jahrzehnte lang waren dafür ausschließlich maßgeschneiderte Industrieruße, so genannte Carbon Blacks, verantwortlich. Heute werden bei modernen Pkw-Reifen noch individuellere Merkmale durch einen weiteren, zusätzlichen Inhaltsstoff ermöglicht: Kieselsäure, auch als Silica bezeichnet. Die Komponenten Kautschuk und Silica sind allerdings aufgrund ihres unterschiedlichen chemischen Charakters zu keiner Verbindung im Gummi fähig. Hier springen bifunktionelle organische Siliziumverbindungen ein, kurz als Organosilane bezeichnet. Sie dienen als Koppler, die wie eine Brücke die beiden anderen Stoffe verbinden. Diese Silica/Silan-Technologie wurde ursprünglich von der Degussa entwickelt und dann von einem führenden Reifenhersteller zur Marktreife gebracht. Heute werden in Europa fast alle Pkws mit Reifen bestückt, deren Laufflächen Silica enthalten.

Reifen sind also keinesfalls nur schwarzer Gummi. Gleich drei Komponenten der Degussa – Gummiruße (Carbon Blacks), Kieselsäuren (Silica) und Silane - tragen entscheidend zum Leistungsprofil des Reifens bei. Für kontinuierliche Verbesserungen arbeiten Chemiker, Physiker und Ingenieure daran, die Carbon Black- und Silica-Partikel zu optimieren und die Chemie der Silane noch besser auf ihre Aufgaben hin zu trimmen. Dabei sind neue Materiallösungen nicht nur für die Lauffläche des Reifens, sondern auch für den Reifenunterbau wichtig.  Am Ende kann nur durch die Verbesserung aller benötigten Gummimischungen der gewünschte Leistungssprung erzielt werden.

Carbon Black und Silica, die beiden wichtigen Verstärkungschemikalien in Reifen, hatten ursprünglich verschiedene Aufgaben: Während Silica für Pkw-Reifen, gerade in der Lauffläche, die besten Resultate liefert, dominiert Carbon Black in Lkw-Reifen nicht zuletzt durch den exzellenten Abriebwiderstand. Für die Wissenschaftler der Degussa bestand die Herausforderung darin, beide Produktklassen gezielt weiterzuentwickeln und dabei ein hervorragendes Rollverhalten der Reifen zu erreichen.

Hilfe für die Chemiker: Computermodelle und Simulationen

Direkt nach ihrer Herstellung sind Carbon Black- und Silicapartikel sehr klein. Systematische Untersuchungen dieser Produkte und die Analyse ihres Entstehungsprozesses waren wichtige Voraussetzungen für den Erfolg. Mit Computermodellen und Simulationsrechnungen wurde überprüft, ob die Vorstellungen der Chemiker und Physiker richtig waren.

„Der Rollwiderstand ist durch die Gummimischung der Lauffläche beeinflussbar.“
Dr. Ing.Winfried Tomaske

„Im Ergebnis ist es uns gelungen, das Partikelwachstum und die Oberflächeneigenschaften so zu steuern, dass diese Produktinnovationen den Rollwiderstand bei Lkw-Reifen um bis zu 20 Prozent absenken können, erklärt Bernhard Schwaiger, Leiter der Anwendungstechnik Füllstoffsysteme bei Degussa. Auf der Spritrechnung bedeutet das Einsparungen von bis zu fünf Prozent.

Die neu entwickelten Carbon Black-Typen werden unter dem Handelsnamen ECORAX® vermarktet. Diese Produktfamilie umfasst sowohl Lösungen für die Laufflächenmischungen von Lkw-Reifen als auch für den Unterbau von Pkwund Lkw-Reifen.

Mit großem Einsatz haben Chemiker der Degussa auch nach neuartigen Molekülstrukturen des Silans geforscht. Obwohl nur etwa 100 Gramm pro Pkw-Reifen dieser Verbindung benötigt werden, ist die Wirkung dieser Spezialchemikalie enorm - sie ist letztlich für die Spriteinsparungen verantwortlich, die bis zu acht Prozent betragen kann. Bemerkenswert dabei ist, dass alle anderen Reifeneigenschaften auf demselben hohen Niveau bleiben. Führende Reifenhersteller testen bereits intensiv das brandaktuelle Silan Si 363. Bereits in allernächster Zeit werden Reifen damit am Markt zur Verfügung stehen. Die Investition dürfte sich schnell bezahlt machen: „Bei einer jährlichen Fahrleistung von rund 30.000 Kilometern sind die Kosten eines neuen Reifensatzes binnen Jahresfrist wieder eingefahren“, unterstreicht Thomas Hermann, Leiter des Geschäftsbereichs Advanced Fillers & Pigments, die ökonomischen Vorteile.

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Quelle: Degussa
Foto: Auf Einrichtungen wie dieser im Institut für Fahrzeug- und Antri