Wenn Autos miteinander reden

Die Vision stand am Ende der 1. Verkehrssicherheitstage des Motor Presse Club e.V. (MPC) in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: In 20 Jahren werden die Autos direkt miteinander kommunizieren, um ihre Insassen sicher ans Ziel zu bringen. Bis dahin gibt es aber unter denen, die sich nicht mehr mit tausenden Verkehrstoten Jahr für Jahr in den 25 EU-Staaten abfinden wollen, noch sehr viel Gesprächs- und Handlungsbedarf. Aus diesem Grund hatte der MPC erstmals zu der wissenschaftlichen Tagung eingeladen, die nach Meinung renommierter Experten in der Automobilindustrie, an Universitäten, in Verbänden und in Ministerien längst überfällig war.

Jürgen Lewandowski, erster Vorsitzender des MPC, zog ein überzeugendes Fazit: "Diese Flut von Informationen, Kommentaren und Analysen zu den Chancen und Risiken von Fahrer-Assistenz-Systemen und dazu die überaus lebhafte Diskussionen über Gegenwart und Zukunft der Verkehrssicherheit hat uns alle positiv überrascht. Und ganz klar die Notwendigkeit aufgezeigt, künftig im Jahresrhythmus zu weiteren MPC-Verkehrssicherheitstagen einzuladen".

Referenten, Diskussionsteilnehmer und Forum waren sich darin einig, dass die Verantwortung für Verkehrssicherheit letztlich alle gemeinsam tragen: die Verkehrsteilnehmer selbst, die Autoindustrie, die Fahrschulen, die Verbände, die Behörden und auch die Medien. Die Medienvertreter wurden von allen Seiten aufgefordert, wesentlich mehr über die komplexen und sehr hilfreichen Möglichkeiten moderner Assistenzsysteme zu berichten.

Derzeit wird in Europa nur jeder zweite Neuwagen mit ESP ausgeliefert, weil viele Käufer die zusätzlichen Kosten scheuen. Mitunter sogar lieber Alu-Felgen oder Metallic-Lackierung bestellten als eine so wichtige Sicherheitsausstattung, die schließlich nicht nur den Insassen direkt, sondern auch anderen Verkehrsteilnehmern zu Gute kommt. Einig waren sich die Experten aller Bereiche, dass eine verstärkte Aufklärung über die segensreiche Wirkung von ESP dringend erforderlich sei, eine Informationsoffensive der Vernunft - von den Herstellern über die Händler und Fahrschulen bis zu den Verbänden, Behörden und Medien. Auch an der Begriffsverwirrung mit den vielen unverständlichen Kürzeln oder endlos langen englischen Bezeichnungen müsse nachhaltig gearbeitet werden.

Vor allem bei kleineren und älteren Autos, die gerade von vielen besonders gefährdeten Fahranfängern gesteuert würden, ist die Ausstattung mit ESP noch sehr gering. Obwohl Versicherungsprämien für Autos mit ESP günstiger seien und sich die Mehrkosten nach drei bis vier Jahren amortisieren, wäre auch eine staatliche Förderung wünschenswert. "Wer sich für mehr Verkehrssicherheit einsetzt", so Ulrich Klaus Becker, Vizepräsident Verkehr des ADAC, "muss mit Nachdruck staatliche Unterstützung fordern". Darüber hinaus wurden auf dem MPC-Kongress auch viele Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel: Dürfen elektronische Systeme automatisch tätig werden, beispielsweise selbstständig Notbremsungen einleiten? Entmündigt das den Fahrer? Oder: Wer übernimmt bei Systemfehlern die Haftung? In jeden Fall, da waren sich die Tagungsteilnehmer einig, müsse die volle Verantwortung beim Fahrer bleiben. Assistenz-Systeme sollen entlasten, helfen und warnen, nicht aber den Fahrer zum passiven Passagier machen.

Zahlreiche Systeme werden derzeit entwickelt, zum Beispiel Nachtsichtsysteme und Abstandsradar mit Notbremsung und Spurthalte-Systeme, die vor allem bei Nutzfahrzeugen von besonderer Bedeutung sind. Einig waren sich die Experten, dass elektronische Hilfen die Fahrer nicht ablenken dürfen. Die volle Aufmerksamkeit gehöre der Fahrbahn, der Umgebung sowie dem Verkehr und nicht dem Umgang mit Navigations-, Unterhaltungs- oder Kommunikationssystemen. Im Übrigen sei das immer wieder an die Wand gemalte Gespenst der Risikokompensation bei zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen im Automobil nicht signifikant in Erscheinung getreten. Dass ABS oder ESP die Masse der Nutzer dazu verleiteten, mit riskanter Fahrweise in neue Grenzbereiche vorzustoßen, habe sich nicht bestätigt.

Auch das Thema Übermüdung am Steuer ist auf dem Weg zum "Unfallfreien Fahren" eine besonders wichtige Station. Der sogenannte Sekundenschlaf ist Ursache vieler Unfälle. "Wir können mit entsprechender Sensorik die Kopf- und Augenbewegungen des Fahrers erfassen", erklärt Dr.-Ing. Matthias Rabe, Leiter Aufbauentwicklung der Volkswagen AG, "wir können auch aus dem Fahrverhalten - zum Beispiel Spur halten - Erkenntnisse gewinnen, aber die Sensorik muss hier noch weiterentwickelt werden." Auf keinen Fall, so Rabe, dürfe sich der Fahrer ständig überwacht fühlen.

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Quelle: Motor Presse Club e.V.